13.03.2020

Fast vergessener Geschmack

Alte Gemüsesorten wieder voll im Trend

Wie jetzt, vergessene Gemüsesorten: Wieder mal etwas beim Einkauf stehen lassen oder den Zettel mit den Besorgungen nicht bis zum Ende gelesen? Nein, alles in bester Ordnung! Bei vergessenem Gemüse handelt es sich um alte Sorten, die länger verschwunden waren und sich nun bei interessierten Hobbygärtnern und engagierten Bauern einer wahren Renaissance erfreuen. Für inspirierte Kreationen von Küchenchefs oder uns experimentier- und genussfreudige Freizeitköche ist das ein wahres Fest.

Der Geschmack, der Geschmack

Wow, so können Möhren schmecken. Verzückt beißen wir in eine dicke, etwas schrumpelig aussehende Möhre und fühlen uns an den Geschmack des signalfarben-orangenen Gemüses in unserer Kindheit zurückversetzt. Oxhella heißt diese wunderbar intensive Möhre, die eine Weiterentwicklung der ganz alten Sorte Oxheart ist. Sie ist fester und schmeckt nicht so süß wie die standardisierte Möhre.

Eigentlich geht es beim Genuss ja um Geschmack und bei der Ernährung um die Inhaltsstoffe. Doch mit der Industrialisierung der Landwirtschaft wurde auf Sorten gesetzt, die schnell, ertragreich und gleichmäßig wachsen, um den Anforderungen von Supermärkten und letztlich auch Verbrauchern zu entsprechen: lange Haltbarkeit, großes, gleichmäßig geformtes Obst und Gemüse – der Krümmungsgrad von Bananen und Gurken ist quasi geregelt. Zugunsten dieser Eigenschaften nahm man in Kauf, dass der Geschmack darunter leidet und manche divenhafte Gemüse gleich ganz von der Bildfläche zu verschwinden drohen. Anderen Gemüse wurden die Bitterstoffe herausgezüchtet, da angeblich viele Konsumenten eher süßlichen Geschmack bevorzugen. Zu diesem Thema gibt es hier einen lesenswerten Artikel und mit Beyond Sweetness eine von Köchen und Sommeliers initiierte Gegenbewegung.

Lerne deinen Bauern kennen

Apropos Gegenbewegung: Für viele der neuen alten Gemüse ist der Gang zum guten Bio-Bauern oder zum Markt mit regionalen Selbstvermarktern vor der Haustür unvermeidbar. Oder man widmet sich gleich dem Selbstanbau. Das Saatgut ist noch über Spezialanbieter wie Bingenheimer Saatgut zu beziehen oder wird unter der Hand weitergereicht. Gar nicht so einfach für manchen Bauern, der gerne Sorten reaktivieren würde, sich aber von den großen Saatgut-Playern und der EU-Saatgutverordnung drangsaliert sieht. Es gibt nämlich patentgeschützte Sorten. Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Diskussionen um die Kartoffelsorte Linda.

Was gibt’s denn da so?

Das vergessene Gemüse war ja nicht urplötzlich wieder da, sondern rückte Stück für Stück wieder ins Blickfeld und wandert immer öfter in den Mund. Dabei nimmt auch die Vielfalt zu: So reicht es nicht aus, von Roter Bete, Möhre oder Tomate zu sprechen, denn auf einmal gibt es wieder ein ganzes Spektrum von Eigenschaften und Geschmäckern, was zu mannigfaltigen Zubereitungsmöglichkeiten führt. Nicht zu vergessen die herrliche und verlockende Vielfalt an Farben und Formen. Dazu gehören Pastinaken, Topinambur, Schwarzer Rettich, verschiedene Bete-Sorten, Stielmus (Rübstiel) und – noch einen Tick rarer und exotischer – Haferwurzel, Knollenziest oder Knollenkerbel.

Vorteile der alten Sorten

Für die alten Sorten spricht in erster Linie der Geschmack, der häufig kräftiger, intensiver und oftmals herber und weniger süß ist. Daneben sind viele Sorten erstaunlich hart im Nehmen und kommen mit schwierigen Witterungsverhältnissen überraschend gut zurecht.

Alte Sorten sind zumeist samenfest, das heißt die Pflanze kann natürlich vermehrt werden, bestäubt durch Wind und Insekten. Das ist Konzernen wie Monsanto natürlich ein Dorn im Auge beziehungsweise Geschäftsmodell. Dort möchte man, dass jedes Jahr die nicht samenfesten, nicht vermehrbaren Hybrid-Züchtungen, das als F1-Kreuzungen und CMS-Sorten bezeichnete Saatgut, gekauft werden muss. Zudem wird auf Seiten der Agrarkonzerne immer wieder versucht, sich Eigenschaften von Pflanzen patentieren zu lassen.

Für Allesesser: Leaf to root und Misfits

Was als Nose to tail beim Fleischkonsum für besondere Nachhaltigkeit und Respekt vor dem Tier steht, lässt sich auch auf Pflanzen anwenden. Bei der stark vom Briten Fergus Henderson angestoßenen Bewegung werden alle verwertbaren Teile, von der Nase bis zum Schwanz, vom Tier verarbeitet und gegessen und nicht nur die Premiumstücke. Um im Zuge des Revivals alter, lange in Vergessenheit geratener Gemüse, kann man sich beim Kochen stets dieselben Fragen stellen: Was kann ich wie verwenden? Bei vielen Gemüsen sind die Blätter, die Blüten und der Strunk, ja sogar die Schalen ebenso essbar. Beispielsweise schmeckt der geschälte Strunk beim Brokkoli beinahe am spannendsten und innovative Köche stellen aus Kartoffelschalen noch einen intensiven Sud her. Blanchieren war gestern, den dabei gibt das Gemüse viel Geschmack ans Kochwasser ab. Dämpfen, Schmoren, Braten, roh marinieren, purieren: jedes Gemüse lässt sich vielfältig und köstlich zubereiten.

Das spielt dann längst keine Rolle mehr, ob das Gemüse wunderschöne Modelmaße besitzt. Komisch und bisweilen absurd krumm geformtes Gemüse schmeckt genauso gut. Diese Misfits lassen sich genauso köstlich zubereiten wie perfekt gewachsene Exemplare. Dass haben auch die EU und Supermarktketten teilweise eingesehen und geben den Sonderlingen eine Chance, die auch wir als Verbraucher nutzen sollten.

Ein Artikel, der bisher ohne das Wort „Sekt“ auskam. Zeit also, in die Küche zu gehen und sich der Verarbeitung des Gemüseeinkaufs zu widmen. Die hungrige Meute will gefüttert werden und ein Schluck Sekt für die Küchencrew und genug für die Gästeschar steht bereit…

Wir wünschen viel Vergnügen beim Entdecken, Ausprobieren und Genuss!

Ihr Mumm Sekt-Team

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